Spätestens, wenn Firmeneigentümer einen Nachfolger suchen, stellt sich die wichtige Frage: Was ist das Unternehmen eigentlich wert? Bei der Suche nach der Antwort helfen Creditreform Rating und die Berater der Fischer | Konrad GmbH.
Wert und Preis sind oft zweierlei
(Text: Stefan Weber erschienen in der Mai-Ausgabe des Creditreform-Magazins www.creditreform-magazin.de)
Als Heinrich Westermann 2011 nach längerer Krankheit zurück in seine Firma kam, war rasch klar, dass es nicht mehr so weitergehen konnte wie zuvor. Knapp 30 Jahre hatte der Unternehmer aus Minden, ein gelernter Elektroinstallateur, sich für seinen Betrieb aufgerieben. Hatte aus dem Nichts ein hutgehendes Unternehmen für Schaltanlagen aufgebaut, mit 60 Mitarbeitern und einem Umsatz von 7,5 Millionen Euro. Doch nun musste er kürzertreten. Doch in der Familie gab es niemanden, der seine Nachfolge hätte antreten können. So reifte der Entschluss, die Schaltanlagenbau GmbH H. Westermann zu verkaufen. Am liebsten an einen Mitarbeiter. Einen Kandidaten hatte Westermann schnell ausgemacht: Heinz-Dieter Finke, den technischen Geschäftsführer. Doch der zögerte: „Die Idee, den Betrieb zu übernehmen, fand ich damals schon reizvoll. Aber für mich alleine war das eine Nummer zu groß.“ Ein Grund dafür war auch der Verkaufspreis, der Westermann vorschwebte. „Es ist nicht selten der Fall, dass Unternehmer den tatsächlichen Wert ihres Betriebs übersch.tzen. Wer eine Firma aufbaut und über Jahrzehnte erfolgreich macht, investiert nicht nur eine Menge Arbeit, sondern auch viel Herzblut. Das erschwert eine nüchterne Wertermittlung“, erklärt Andreas Del Re, Professor für Rechnungswesen und geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Fischer Konrad GmbH. Die gleichen Beobachtungen macht auch Roland Reiser, Teamleiter Projekte und Vertrieb bei der Creditreform Rating AG: „Wenn viele Emotionen im Spiel sind, gehen die persönlichen Vorstellungen über den Wert der Firma und der zu erzielende Verkaufspreis oft weit auseinander.“ Mancher Unternehmer, so Reisers Erfahrung, versuche bei einem niedrigen Ertragspotenzial, den ermittelten Wert durch vermeintlich weiche Faktoren wie den Wert des Kundenstamms in die Höhe zu treiben.
Hunderttausende Firmenübergaben stehen an
Del Re und Creditreform Rating arbeiten seit 2012 zusammen, wenn es um die Wertermittlung von mittelständischen Unternehmen geht. Anlass dafür ist häufig ein angestrebter Verkauf, meist aus Altersgründen. Und der Bedarf ist groß. Bundesweit gibt es knapp 57.000 Unternehmen mit mindestens fünf Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 500.000 Euro, die von einem gesch.ftsführenden Gesellschafter im Alter von 60 Jahren und älter geführt werden. Vor allem im Handel und im Verarbeitenden Gewerbe stehen in den nächsten Jahren viele Firmenübergaben an die nächste Generation an. Creditreform Rating gibt auf Basis der Ertragsentwicklung in den drei vorangegangenen Jahren eine Einschätzung über den Wert einer Firma ab – vorausgesetzt, sie befindet sich in einem „eingeschwungenen Zustand“, steckt also nicht gerade in einer Sanierungs- oder Aufbauphase. Eine solche Wertermittlung geht häufig recht schnell. „Innerhalb von zehn Tagen können wir ein Ergebnis vorlegen“, sagt Reiser. Del Re und seine Mitarbeiter fertigen ein umfangreiches, auch gerichtsfestes Gutachten an. Dafür tauchen sie tief ein in die Interna des Unternehmens und versuchen, dessen Zukunftschancen zu ermitteln. Der Aufwand – und damit auch die Kosten – einer solchen Analyse sind abhängig von der Komplexität der Firma. Also beispielsweise der Frage, ob es verschiedene Geschäftsbereiche oder Tochtergesellschaften gibt. Im Fall von Heinrich Westermann geriet der Übergabeprozess lange Zeit ins Stocken. Das änderte sich erst Ende 2013. Zu diesem Zeitpunkt erhielt der Schaltanlagenbauer mit Uwe Friedrichs einen neuen kaufmännischen Gesch.ftsführer. Er bildete mit dem Techniker Finke ein gutes Doppel. Neues Interesse an einer Übernahme kam auf, beide Gesch.ftsführer merkten: „Zusammen könnten wir das schaffen.“ Creditreform brachte daraufhin Andreas Del Re ins Spiel. Seine Mission: Einen Weg zu suchen, auf dem der verkaufswillige Firmeninhaber und die kaufinteressierten Geschäftsführer zusammenfinden. „Von Anfang an war klar, dass es nur eine Lösung geben wird, wenn beide Seiten zu Kompromissen bereit sein würden“, betont Del Re. In mehreren Mediationsrunden holte er alle Beteiligten an einen Tisch. Das Besondere: Der Berater wurde nun nicht mehr allein von Verkäufer Westermann bezahlt, sondern von beiden Seiten. Psychologisch war das ein wichtiger Schritt: ein Zeichen, dass alle an einer Lösung interessiert waren. Bei der Bewertung des Verkaufspreises standen zwar nach wie vor Liquidität und Bilanzgewinn des Unternehmens als wichtigste Kennziffern im Mittelpunkt. Aber der Fokus wurde nun vor allem auf die Frage gelegt, wie der Schaltanlagenbauer in drei oder fünf Jahren dastehen wird. Alle Beteiligten machten bei der Modellierung der künftigen Unternehmensentwicklung mit. Daraus ließen sich belastbare Planzahlen ableiten – die wiederum die Grundlage für die Ermittlung eines von beiden Seiten akzeptierten Verkaufspreises bildeten. Die Übergabe glückte. Und die neuen Eigentümer haben frischen Wind mitgebracht. Sie planen, die beiden Standorte der Firma in Minden zusammenzuführen.
„Stabwechsel früh vorbereiten“
Vier Fragen an Andreas Del Re, geschäftsführender Gesellschafter Fischer Konrad GmbH
In den nächsten Jahren müssen sich bundesweit Zehntausende Unternehmer mit der Frage nach einem Nachfolger beschäftigen. Worauf sollten sie achten, damit die Übergabe gelingt?
Sie sollten frühzeitig beginnen, die Weichen zu stellen. Von der ersten Planung bis zur Stabübergabe können auch schon einmal fünf Jahre vergehen. So viel Zeit sollte man sich nehmen.
Woran liegt es, dass der Generationswechsel oft nicht gelingt?
Zum einen, weil der richtige Zeitpunkt für den Wechsel verpasst wurde. Zum anderen, weil der Verkäufer überzogene Preisvorstellungen hat. Es gibt Fälle, da fordert der Eigentümer das Doppelte dessen, was realistisch ist.
Was sagen Sie in diesen Fällen dem Verkäufer?
Ich stelle zwei Fragen. Zum ersten: Was würden Sie, der Sie die Firma gegründet haben, heute dafür zahlen? Und zum zweiten, ein wenig flapsig: Was wäre die Firma in Ihren Augen wert, wenn Sie sich heute scheiden lassen würden?
Die Nachfolgesuche ist also nur eine Frage des richtigen Preises?
Nicht nur. Ein großes Problem ist es auch, Menschen mit Unternehmergeist zu finden. Die bereit sind, Risiken einzugehen, und die bei der Arbeit nicht auf die Uhr schauen.